Fliegende Lebensretter

29.12.2017 -  

Der Zweite Weltkrieg ist seit über 70 Jahren vorbei. Der Vietnamkrieg seit mehr als 40 Jahren. Geschichte sind die militärischen Feldzüge aber lange nicht. Bis heute werden noch immer nicht detonierte Sprengsätze gefunden, die unkontrollierte Explosionen verursachen können.

In Nachkriegsgebieten wie Laos oder Vietnam stellen diese eine permanente Lebensgefahr für die Einwohner dar. Vor allem Kinder suchen in ihrer Umgebung nach Metall, das sie verkaufen können – häufig findet die Suche auf verminten Feldern statt. Die meisten finden jedoch nur Blindgänger und lösen die gefährlichen Zeitzeugen unwissentlich aus. Hilfsorganisationen räumen daher seit Jahrzehnten die kontaminierten Gebiete mit Metalldetektoren, Hunden oder Landrobotern – ein gefährliches, kosten- und zeitintensives Unterfangen. Und haben die mutigen Helfer die Jahrzehnte alten Rückstände beseitigt, beginnen sie ihre Aufräumarbeiten in aktuellen Kriegsgebieten wie Syrien oder Libyen.

Diese Erkenntnis ließ auch den Magdeburger Uniabsolventen Linh Bùi Duy nicht mehr los, als er Anfang 2016 einen Fernsehbericht über die Auswirkungen des Krieges in Damaskus sah: „Der Gedanke, dass dort auch nach dem Krieg, wenn die Menschen zurückkehren wollen, Bomben liegen, beschäftigte mich sehr“, erinnert sich der 25-Jährige.

Der Beitrag brachte ihn gleichzeitig auf eine Idee: Der Film war mit einer Drohne aufgenommen worden – warum eine Drohne also nicht auch nutzen, um nach Blindgängern zu suchen? Die Idee von Crowdsweeper war geboren.

Crowdsweeper

Marcel Hansel und Linh Bùi Duy mit der von ihnen entwickelten Drohne. (Foto: Harald Krieg)

Start-Up will das Auffinden von Blindgängern erleichtern

Seitdem arbeitet der Ingenieur gemeinsam mit seinem ehemaligen Kommilitonen und Mitgründer Marcel Hansel daran, die Zukunft Realität werden zu lassen: Eine Drohne, die mittels GPS autonom den betroffenen Landstrich absucht und Fundstellen auf einer digitalen Landkarte sowie physisch mit einem Farbspray am Fundort markiert. Die ersten Meilensteine haben die beiden Jungunternehmer bereits erreicht: „In einem Projekt mit Studierenden haben wir den Prototyp eines flugfähigen Hexacopters entwickelt. Der passende Metalldetektor sowie das Markierungssystem sind ebenfalls vorhanden. Im nächsten Schritt werden wir alle Einzelkomponenten zusammenfügen“, erklärt Marcel Hansel.

Bei der Entwicklung konzentrieren sich die ambitionierten Konstrukteure auf Weltkriegsbomben: „Der Einsatz von Minen ist seit 1997 mit der Ottawa-Konvention verboten, wodurch mehr Bomben abgeworfen als Minen gelegt werden. Daher geht zukünftig die größere Gefahr von Blindgängern aus, die nicht gezündet haben“, so Linh Bùi Duy.

Crowdsweeper_DrohneDamit ihre Entwicklung den realen Anforderungen entspricht, haben die beiden jetzigen Wissenschaftlichen Mitarbeiter der Universität Magdeburg früh Kontakt zu Hilfsorganisationen aufgenommen: „Es ist wichtig, den Bedarf wirklich zu kennen und eine Idee frühzeitig mit der Praxis abzugleichen“, rät Marcel Hansel. Darum arbeitet das Magdeburger Start-up mit gemeinnützigen Einrichtungen wie der Stiftung Sankt Barbara zusammen, die seit 1995 in Nachkriegsgebieten aktiv ist und die jungen Gründer mit ihrem Fachwissen unterstützt.

„Genauso hilfreich ist es, die Ressourcen des TUGZ zu nutzen: kostenfreie Coworking-Räume in der Exfa, das FabLab, die langjährigen Kontakte. In anderen Städten müssen sich Start-ups so eine Infrastruktur erst mühevoll aufbauen. In Magdeburg können wir uns auf die Umsetzung unserer Idee konzentrieren“, fasst Linh Bùi Duy die Entscheidung für den Standort Magdeburg zusammen.

Ihr nächster Meilenstein ist die Genehmigung des ego.-Gründungstransfers – eine Fördermaßnahme der Investitionsbank des Landes Sachsen-Anhalt zur Unterstützung von Start-ups in der Vorgründungsphase: „Darüber könnten wir unsere Einkünfte sowie die Entwicklungskosten für weitere Prototypen finanzieren und uns in Vollzeit unserem Projekt widmen“, so Marcel Hansel über die weiteren Pläne des jungen Unternehmens.

 

Ina Götze

Letzte Änderung: 09.07.2020 - Ansprechpartner: