Nach uns die Schuldenflut?

11.09.2018 -  

Die treibende Kraft für die Aufnahme von Schulden ist der Wunsch, die Schulden für den eigenen Konsum nutzen zu können und die Lasten der Rückführung der Schuld auf nachfolgende Generationen abzuwälzen. Zu diesem ungewöhnlichen Ergebnis kommt eine Studie von Verhaltensökonomen der Universitäten Magdeburg und Köln, welche den starken Anstieg der Staatsverschuldung in den Industrieländern untersuchte. Sie erforschten, wie es dazu kommt, dass Staatsverschuldung in demokratischen Ländern geschieht, also unter zumindest impliziter Zustimmung der Bevölkerung und welche Motive Menschen haben, wenn sie einer Staatsschuld zustimmen.

Diese Fragen untersuchten Verhaltensökonomen aus Magdeburg gemeinsam mit Kollegen aus Köln in einem umfangreichen Laborexperiment, dessen Ergebnisse jetzt in PLoS ONE, dem weltweit angesehensten interdisziplinären Open Access Journal, veröffentlicht worden sind. Im Experiment wurde die Wirkung einer Schuldenbremse ebenso untersucht wie die Wirkung von zwischenmenschlichen Verbindungen zwischen Generationen. Am Verschuldungsverhalten änderte sich jeweils nichts. In dem Experiment entschied jede Generation nahezu ausschließlich zugunsten des eigenen Vorteils. Die Forscher fanden heraus, dass die Probanden dabei ausgesprochen rational vorgingen – die fehlende Fürsorge für nachkommende Generationen war also kein Versehen, sondern geschah in voller Absicht. Außerdem konnten die Forscher Anzeichen für eine Verstärkung des Schuldenproblems in alternden Gesellschaften finden. In Europa habe das in einzelnen Ländern einen Umfang erreicht, der eine Staatsschuldenkrise heraufbeschworen hat, konstatiert Prof. Dr. Joachim Weimann von der Fakultät für Wirtschaftswissenschaft der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg. In den USA stehe der Staat regelmäßig vor der Zahlungsunfähigkeit, die nur durch eine Ausweitung der Verschuldungsgrenze abgewendet werden könne. Genau wie in den USA wurde die Schuldengrenze auch im Experiment immer dann aufgehoben, wenn sie drohte zu greifen.

„Je einfacher es ist, Schulden zu machen, umso bedenkenloser werden sie aufgenommen“, fasst der Verhaltensökonom zusammen. „Zumindest gilt dies dann, wenn sich das Laborexperiment aus Magdeburg als eine zutreffende Beschreibung der realen Welt erweist. Die Tatsache, dass sich vieles, was im Labor beobachtet wurde, auch in der Realität zeigt, spricht dafür, dass dies der Fall sein könnte.“ Im Lichte der experimentellen Ergebnisse könne deshalb nur der Rat gegeben werden, dass man die institutionellen Beschränkungen für die Aufnahme von Staatsschulden sehr restriktiv handhaben muss.

„Das Ergebnis hat uns überrascht“, so Verhaltensökonom Weimann. „Menschen sind gewöhnlich in einem gewissen Umfang uneigennützig und rücksichtsvoll, verhalten sich, wie wir sagen, reziprok, also neigen dazu, soziales Verhalten mit eigenem sozialen Verhalten zu erwidern. Bei aufeinanderfolgenden Generationen war bei unserer Studie davon aber fast nichts mehr zu spüren.“

Quelle: Martin Fochmann, Florian Sachs, Karim Sadrieh und Joachim Weimann, The Two Sides of Public Debt: Intergenerational Altruism and Burden Shifting, PLoS ONE 2018, 13(8): e0202963. doi.org/10.1371/journal.pone.0202963.

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