Wie wirkt Psychotherapie

25.09.2003 -  

Anwendungsfelder der Kommunikation in helfenden Berufen

Mit methodischen Problemen und Anwendungsfeldern der Kommunikation in helfenden Berufen beschäftigte sich eine Tagung unter Leitung von Prof. Dr. Jörg Frommer, zu der die Psychosomatische Abteilung des Universitätsklinikums Ende des Sommersemesters 2003 Ärzte, Psychologen und Sozialwissenschaftler aus den USA, Kanada, Taiwan, Großbritannien, Dänemark, Portugal, Österreich, der Schweiz und Deutschland eingeladen hatte. Die Mehrzahl der Tagungsteilnehmer beschäftigte sich mit derselben spannenden Frage: Wie können wir erklären, und vor allem auch verstehen, dass Kommunikation heilsam wirken kann?

Nicht nur Fragebögen

In der Psychotherapieforschung stand bereits vor 20 Jahren aufgrund der Ergebnisse von mehreren tausend Studien fest, dass Psychotherapie wirkt und bei vielen Störungsbildern merkbare positive Effekte hat. Die nach Magdeburg gekommenen Wissenschaftler waren es, die damals forderten, sich mit dem erbrachten Wirkungsnachweis nicht zufrieden zu geben, sondern nun genauer die Mechanismen therapeutischer Wirkfaktoren zu untersuchen. Deutlich wurde, dass es hierfür nicht ausreicht, den Patienten und den Therapeuten vor und nach der Psychotherapiestunde Fragebögen auszuhändigen und gruppenstatistisch Erfolgsmaße zu berechnen. Vielmehr ging es nun darum, die vorliegenden Ergebnisse zu ergänzen durch Studien an Tonband- und Videoaufzeichnungen und deren wortwörtlichen Abschriften. Mit Methoden der Analyse derartiger Materialien beschäftigte sich die Tagung in erster Linie. Sie grenzte die Thematik allerdings nicht eng auf die Psychotherapie ein, sondern beachtete auch Forschung zur Kommunikation in anderen helfenden Professionen.

Der Rechtssoziologe und Professor für Parteienrecht an der Universität Düsseldorf, Martin Morlok, widmete seinen, gemeinsam mit der Psychoanalytikerin Jutta Baur-Morlok, verfassten Eröffnungsbeitrag den Ähnlichkeiten, die den Beruf des Richters mit dem des Psychotherapeuten in modernen Gesellschaften verbinden. Beide Professionen, so arbeitete Morlok heraus, dienen der Bewältigung von Krisen im sozialen Miteinander und sind charakterisiert durch einen Bruch zwischen codifizierten normativen Vorschriften, Regeln und Gesetzen einerseits und einer Alltagspraxis andererseits, die in vielem vom Vorschriftenkanon abweicht. Die nachfolgenden drei Beiträge von William Stiles (Miami University, Ohio), Robert Elliott (University of Toledo, Ohio) und David Rennie (York University, Ontario) waren methodischen und methodologischen Problemen gewidmet. Hochkarätige Forschung kann nicht mehr nur mit quantitativen Mitteln und Gruppenstatistiken durchgeführt werden. Vielmehr gilt heute mehr denn je, dass die subtile phänomenologische Beobachtung und die verdichtende Beschreibung von Einzelfällen ein unverzichtbarer Bestandteil sind.

Arzt-Patient-Kommunikation

Der Magdeburger Soziologe Fritz Schütze berichtete über ein Forschungsprojekt, das der Arzt-Patient-Kommunikation bei Diabetespatienten gewidmet ist. In diesem vom Bundesvorstand der AOK finanzierten Drittmittelprojekt konnte seine Arbeitsgruppe zeigen, dass Diabethologen und Praktische Ärzte gesundheitsschädigenden Formen der Lebensführung bei ihren Patienten oft hilflos gegenüberstehen und mangels tieferer Kenntnisse über die Biographie und Lebenssituation des Patienten nicht in der Lage sind, gemeinsam mit ihm in einen konstruktiven Dialog einzutreten. Für die Arbeitsgruppe von Prof. Frommer berichtete Christina Papachristou, Charité Berlin, über ein gemeinsames Projekt, in dem Leber-Lebendspender bezüglich ihrer Motive für die Lebendspende untersucht werden. Unter hohem Zeitdruck müssen diese primär gesunden Personen entscheiden, ob sie sich einem abdominellen Eingriff mit Entnahme eines Teils der Leber unterziehen, um einem nahen Angehörigen das Leben zu retten. Das Forschungsprojekt wird zur Klärung der ethischen Aspekte, aber auch zur Entwicklung von psychosozialen Hilfen für die Spender beitragen.

Weitere Vorträge der Tagung waren der Methodenentwicklung gewidmet. Unterschiedliche Methoden der Phänomenologie, der Inhaltsanalyse und der Konversationsanalyse wurden an gemeinsam analysiertem Material verglichen und diskutiert. Dabei wurde deutlich, dass die qualitative Psychotherapieforschung in den zurückliegenden Jahren einen breiten Kanon von Untersuchungsmethoden entwickelt hat, die es erlauben, zwischenmenschliche Kommunikation und Interaktion quasi mikroskopisch unter unterschiedlichen Aspekten zu betrachten.

Letzte Änderung: 25.09.2003 - Ansprechpartner: Webmaster