Verse wie Faustschläge?
Ludwig Schumanns das magdeburger brevier
Ein Leser schrieb ihm: "Sie wissen, dass Verse machen nicht träumen, sondern Faustschläge austeilen heißt. Es sind ganz wunderbare Faustschläge." Das ist starker Tobak, trifft aber durchaus Ludwig Schumanns Anliegen: Seiner Stadt einen Gedichtband zur 12hundert-Jahrfeier zu schenken, der weit über eine Hommage an die Stadt, die sein Lebensmittelpunkt ist, hinaus geht. Der Münchner Erfolgsautor Maurice Philip Remy, Autor und Regisseur von Holokaust und Mythos Rommel hat ihm ein sehr persönlich gehaltenes Nachwort geschrieben, dass eine Männerfreundschaft deutlich macht, die aus der Achtung vor der gegenseitigen Arbeit entspringt: "Möglicherweise wird es manchen Leser verunsichern, der sich eigentlich eine Eloge auf die Stadt versprochen hat. Das ist das Brevier mit Sicherheit nicht. Aber es wird herausragen aus den Veröffentlichungen, die zum Jubiläum kommen werden..."
Das Buch erzählt in 32 Gedichten, die von Otto bis heute chronologisch geordnet sind, weniger die Geschichte als über den Charakter der Stadt, zumindest aus Schumann'scher Sicht. Das er dabei keine Heimatliteratur im Sinn hatte, bestätigt ihm nicht nur Remy, auch die Wahl des Lektors zeigt das: Bernd Gosau aus Bremen, ehemals Chef der Bremer Literaturzeitung Der Stint und über lange Jahre Lektor des aus Masuren stammenden Schriftstellers Arthur Becker. "Mir kam es einfach darauf an, dass es ein Buch blieb, dass seine Bedeutung als literarische Erscheinung behält, nicht, weil es Magdeburg als Thema hat, sich darin auch verfängt", so Schumann. Der Erfolg der Lesung in der Braunschweiger Torhaus-Galerie Anfang Januar 2005 gibt ihm darin Recht. Die Gedichte bezeichnet Schumann selbst als "schlanke Erzählungen". Über Ottos Held Mauritius erzählt Schumann ebenso wie über die Magdeburger Sturhand. Der Grandsigneur des leeren Raumes, Guericke, wird ebenso bedacht wie Trenckh, Wagner oder andere Magdeburger Größen, die heute hochgehalten, in jeweils ihrer Gegenwart nicht sonderlich verehrt worden sind. Täves Magdeburger Wunder weiß er gesamtdeutsch gefeiert, während im Westen das Berner Wunder eifersüchtig gehütet wird.
Die Festung feiert er als das erste IGZ der Stadt. Die trauernde Magdeburg stellt er als Magdeburgs ungeliebtes Menetekel vor. Der Bogen reicht bis zur HartzIV-Region, die Schumann in Olvenstedt ausmacht, das er bald als Sondergebiet sozialer Feldforschung ummauert sieht. "Unversehrtheit ist der Stolz der Provinz", das jedenfalls ist der Skopus, auf den alles hinzielt.
Wohl hat der eingangs erwähnte Leser nicht unrecht mit seinem Urteil. Spannend ist es aber allemal, auch unterhaltsam. Jedenfalls war seit langem Magdeburg als Stadt nicht Gegenstand von Literatur. Bereits hier liegt das Verdienst des sehr schön aufgemachten, bei Dr. Ziethen in Oschersleben verlegten Bändchens. Maler und Grafiker wie Heinz Israel, Rudolf Pötsch, Anne Rose Becker, Thomas Gatzky und Amouzou Amouzou Glikpa haben ihre Beiträge hinzugetan. Erschienen ist es in der Edition Vision 24. Es hat 74 Seiten und kostet im Buchhandel 10,10 Euro (ISBN 3-938380-00-4).